Deeskalationstraining

Mit deeskalierenden Interventionsmaßnahmen lässt sich das Auftreten von Gewalt und Aggression erfolgreich verhindern. Die 12 Grundregeln der Deeskalation sind ein wertvolles Werkzeug für Personen, die im sozialen Bereich tätig sind. Für Mitarbeitende in Kliniken, Psychiatrie, Strafvollzug, Pflege, Jugend- oder Flüchtlingshilfe ist ein professioneller Umgang mit Aggression unerlässlich. In diesen Berufsfeldern ist das Risiko für aggressive Verhaltensweisen wie Beleidigungen oder Übergriffe besonders hoch. Diese können von den Klienten*innen selbst, aber auch durch deren Angehörige ausgehen. Mitarbeiter*innen haben das Recht auf einen sicheren Arbeitsplatz. Wer Deeskalation gelernt hat, kann sich selbst schützen und sicher mit aggressiven Verhaltensweisen umgehen. Doch auch die Klienten*innen profitieren von deeskalierenden Maßnahmen durch das Personal, denn aggressiven Verhaltensweisen liegen meistens Hilflosigkeit und Verzweiflung zugrunde. Die 12 Grundregeln der Deeskalation geben den Mitarbeitenden Sicherheit und erleichtern den Umgang mit aggressivem Verhalten maßgeblich.

Die 12 Grundregeln der Deeskalation im Überblick

  • Wehret den Anfängen
  • An die eigene Sicherheit denken!
  • Schaulustige entfernen!
  • Selbstberuhigung
  • Angespannte Patienten*innen brauchen einen Ansprechpartner!
  • Eigene Körpersprache, Mimik, Gestik und Stimme richtig einsetzen
  • Augenkontakt herstellen
  • Versuchen Sie nie, den Patienten zu kontrollieren oder zu beherrschen!
  • Nicht provozieren oder von verbaler Aggression treffen lassen
  • Provokationen, Vorwürfe, Ermahnungen oder Drohungen vermeiden
  • Wertschätzung
  • Bedürfnisse und Gefühle identifizieren
     

 

Wehret den Anfängen
– Deeskalation so früh wie möglich beginnen

Je früher deeskalierende Maßnahmen getroffen werden, desto besser ist die Situation zu bewältigen. Lange To-Do-Listen und Zeitmangel sind im sozialen Arbeitsumfeld an der Tagesordnung. Dies kann dazu führen, dass die ersten Anzeichen drohender Eskalation nicht bemerkt oder zunächst ignoriert werden. Doch im Idealfall erfolgt eine deeskalierende Intervention bereits in dem Moment, wenn Vorboten von Unmut, Anspannung oder Gereiztheit auftreten.
Im Anfangsstadium sind kritische Situationen meist wesentlich besser zu deeskalieren als zu einem späteren Zeitpunkt. Daher ist es ratsam, auf bestimmte Signale bevorstehender Aggression oder Gewalt zu achten, um rechtzeitig zu reagieren. Dadurch lässt es sich oft verhindern, dass sich die Situation weiter verschärft und eskaliert. Frühwarnsignale, die auf eine hohe Anspannung und Erregung einer Klientin oder eines Klienten hinweisen können:

  • Psychomotorische Erregung, gesteigerte Aktivität 
  • Gesteigerte Unruhe, zielloses Agieren
  • Erhöhte Körperanspannung
  • Verzerrte Gesichtszüge, verkrampfte Hände, Schwitzen
  • Starrer oder abwesender Blick 
  • Gesteigerte Tonhöhe und Lautstärke

Die frühzeitige deeskalierende Intervention sorgt dafür, dass Ruhe einkehrt und sowohl Betreuer*in als auch Klient*in sich rasch wieder entspannen. Der erste Punkt der 12 Grundregeln der Deeskalation ist damit sicherlich einer der wichtigsten, da in vielen Fällen auf weitere Maßnahmen verzichtet werden kann. Im Deeskalationstraining lernen Mitarbeiter*innen, die Frühsymptome einer bevorstehenden Eskalation zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren.
 

Die eigene Sicherheit
– schützen Sie sich selbst!

Wenn Sie die 12 Grundregeln der Deeskalation anwenden, verlieren Sie Ihre eigene Sicherheit nie aus dem Blick! Im Umgang mit sich aggressiv verhaltenden Personen besteht immer auch eine potenziell gefährliche Situation.
Für eine erfolgreiche Deeskalation ist es wichtig, kritische Situationen und die damit verbundenen Risiken korrekt einzuschätzen. Mitarbeitende sollten wissen, wie sie sich effektiv vor psychischer oder physischer Gewalt schützen können. Die dafür geeigneten Sicherheitsmaßnahmen und Verhaltensregeln lassen sich im Deeskalationstraining erlernen. Informieren Sie Ihr Team, bevor Sie mit dem/der Klient*in in Kontakt treten. Bei hoher Erregung sollen sich Kolleg*innen (unsichtbar für die Klientin bzw. den Klienten) in unmittelbarer Nähe aufhalten, um ihm oder ihr im Notfall helfen zu können.
Halten Sie sich während der gesamten Deeskalation stets eine Fluchtmöglichkeit offen (Türen oder Flure im Rücken). Lassen Sie sich nicht in eine Ecke drängen. Falls gefährlich werdende Utensilien bzw. potenzielle Waffen (Glasflaschen, Gabeln, Scheren etc.) im Umfeld liegen/stehen sollten, entfernen Sie diese während der Deeskalation unauffällig. Achten Sie darauf, keine Gegenstände zu tragen oder bei sich zu führen (Ohrringe, Halsketten, Halstücher, Uhren, Stifte in der Kitteltasche etc.), die das Risiko von Verletzungen erhöhen. Berücksichtigen Sie während einer Deeskalation einen angemessenen Sicherheitsabstand und halten Sie Ihre Arme vor dem Körper. Nur so können Sie sich bei einem plötzlichen Übergriff schnell mit den Händen schützen. Der Sicherheitsabstand kann abhängig von der jeweiligen Klientel variieren. Grundsätzlich wird ein Abstand von mindestens zwei Metern empfohlen. 
 

Schaulustige entfernen
– sorgen Sie für eine ruhige Umgebung

Schaulust ist als eine natürliche Verhaltensweise anzusehen, mit der wir uns vor potenziellen Gefahren schützen. Vor allem zu früheren Zeiten mussten Menschen ihre Umwelt genau im Blick behalten, um zu überleben. Situationen, die außergewöhnlich oder mit starken Emotionen verbunden sind, wecken somit bei vielen Personen die Neugier. In konfliktbeladenen Situationen im sozialen Arbeitsumfeld ist daher das Auftreten von Schaulust nicht ungewöhnlich. Oft entsteht dabei eine Gruppendynamik und es bildet sich eine größere Menge an Zuschauern*innen. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass auch die schaulustigen Personen durch die Situation gefährdet sein können.
Ein weiteres Problem von Publikum besteht darin, dass es die Deeskalation oft erschwert. Unter Beobachtung anderer verhalten sich aggressive Patienten*innen möglicherweise anders, um als stark wahrgenommen zu werden. Dies kann dazu führen, dass die Betroffenen nicht offen über ihre zugrundeliegenden Nöte und Gefühle sprechen. Dadurch werden Deeskalationsmaßnahmen beeinträchtigt. Der dritte Punkt der 12 Grundregeln der Deeskalation lautet daher, Schaulustige von Kollegen*innen entfernen zu lassen. Bitten Sie alle Umstehenden, „Schaulustige“ oder beobachtende Personen das Geschehen bzw. den Raum zu verlassen. Gegebenenfalls überlassen Sie das Ihren Kollegen*innen. Dies dient dem Schutz aller und erleichtert Ihnen den Kontakt und den Zugang zur inneren Not der/des Betroffenen, da es keine Aktionsbühne mehr gibt. Sollte es nicht möglich sein Mitbetreute oder Beobachter*innen aus der Situation zu bringen, kann alternativ ein „Aufmerksamkeits-Tunnel“ erzeugt werden. Dabei fokussiert die deeskalierende Person die Aufmerksamkeit des Klienten, der Klientin mit Hilfe von verbalen Deeskalationstechniken nur auf sich – das Umfeld wird „ausgeblendet“.
 

Selbstberuhigung
– bleiben Sie in Ihrer Mitte

Aggressive Verhaltensweisen von zu betreuenden Menschen führen auch bei Mitarbeitenden nicht selten zu Anspannung, Aufregung oder Angst. Bleiben Sie jedoch selbst entspannt, üben Sie eine beruhigende Wirkung auf die Patienten*innen aus. Wer hingegen mit Aggression antwortet, löst in seinem Gegenüber nur weitere aggressive Reaktionen aus und die Situation schaukelt sich hoch. Für ein erfolgreiches Deeskalationsmanagement ist die Selbstberuhigung daher von großer Bedeutung. Einen kühlen Kopf zu bewahren hat noch einen weiteren Vorteil:
Sie können sich selbst besser konzentrieren und sind in der Lage, rationale Entscheidungen zu treffen. Dies sind wichtige Voraussetzungen, um deeskalierend zu intervenieren und sich selbst und Ihren Klient*innen aus der Situation zu helfen. In einem Deeskalationstraining können Sie lernen, wie Sie sich selbst beim Auftreten aggressiver Verhaltensweisen beruhigen.
 

Angespannte Patienten*innen
brauchen eine/n Ansprechpartner*in!

Treten Sie Klient*innen möglichst nie mit mehreren Kollegen*innen gleichzeitig gegenüber, wenn Sie noch eine Chance zum gewaltfreien Beenden der Situation sehen. Verbale Deeskalationsversuche sollten immer nur von einer Person durchgeführt werden, Kollegen*innen halten sich im Hintergrund auf. Schauen mehrere Personen gleichzeitig auf eine Klientin oder einen Klienten, bzw. beobachten gemeinsam die Situation, ängstigt und verunsichert dies. Die zu betreuenden Personen fühlen sich möglicherweise bedrängt und die Anspannung steigt. Stattdessen ist es wichtig, sämtliche mögliche Reize von ihnen fernzuhalten und das Gefühl zu vermitteln, die Situation überschauen und klären zu können. Die Kontaktaufnahme mit Klient oder Klientin sollte durch die Person geschehen, deren Chance auf Akzeptanz im Moment des Geschehens am größten ist und die sich von ihrer Tagesform her am meisten zutraut. Entscheidend ist dabei weder die Berufsgruppe noch die hierarchische Position!
 

Situation mit Körpersprache entschärfen

Körpersprache, Mimik, Gestik und Stimme richtig einzusetzen ist ein wichtiger Bestandteil von den 12 Grundregeln der Deeskalation. Durch Gesten, die Dominanz ausstrahlen, können sich Klient*innen bedroht und somit zusätzlich provoziert fühlen. Auch hektische Bewegungen wirken reizend und sind daher bei einer Deeskalation besser zu meiden. Präsentieren Sie sich ungefährlich, indem Sie Bedrohungskulissen meiden und sich nicht frontal vor dem Betroffenen aufbauen. Sinnvoller ist es, mit Mimik und Gestik sparsam umzugehen und diese bewusst so anzuwenden, dass sie beruhigend auf die betroffene Person einwirken. Achten Sie darauf, eine leicht seitliche Körperhaltung einzunehmen. Bringen Sie durch Ihre Körperhaltung eine friedliche, zugewandte Absicht zum Ausdruck. In angespannten Situationen benötigen Klient*innen oftmals einen größeren Aktionsraum als im normalen Alltag. Halten Sie daher unbedingt Abstand. Auch die Stimme lässt sich effektiv einsetzen, um Konflikte zu entschärfen: Die Stimmlage ist bei einer Deeskalation oft sogar noch entscheidender als der Inhalt der Kommunikation!
 

Augenkontakt herstellen

Wer deeskalierend intervenieren möchte, muss Augenkontakt herstellen – doch dabei ist einiges zu beachten. Daher ist auch der Augenkontakt ein Punkt in den 12 Grundregeln der Deeskalation. Sie müssen die Situation im Blick behalten, wenigstens aus den Augenwinkeln. Denn Sie benötigen die Möglichkeit, jede Bewegung wahrnehmen zu können. Wenn Sie sich komplett abwenden, besteht das Risiko eines Angriffs, ohne dass Sie schnell darauf reagieren können. Daher sollten Sie den/die Klienten*in während einer Deeskalation nie aus den Augen lassen. Gleichzeitig ist jedoch darauf zu achten, nicht zu starren oder anderweitig aufdringlich zu wirken. Dies könnte dazu führen, dass sich der/die Betroffene bedrängt oder provoziert fühlt.
 

Klient*in nie kontrollieren oder beherrschen
– Machtkämpfe meiden

Machtkämpfe sind bei einer Deeskalation kontraproduktiv – versuchen Sie nie, den/die Klienten*in zu kontrollieren oder zu beherrschen. Behalten Sie stattdessen die Kontrolle über die Situation, indem Sie Ihre Körperhaltung und Stimme entsprechend einsetzen. Selbst beherrscht zu bleiben ist eine wichtige Voraussetzung, um aggressivem Verhalten mit Sicherheit gegenüberzutreten. In der Situation spielt es keine Rolle, wer tatsächlich im Recht ist. Dabei sollten Sie jedoch keinerlei Zusagen machen, die sich später nicht einhalten lassen. Vermeiden Sie es, den/die Klienten*in zu etwas zu drängen und gehen Sie sparsam mit Appellen um.
 

Lassen Sie sich nicht provozieren

Lassen Sie sich nicht provozieren oder von verbaler Aggression treffen. Der neunte Punkt der 12 Grundregeln der Deeskalation ist zum einen wichtig, um ruhig bleiben zu können. Nur dann sind Sie in der Lage, angemessen zu reagieren, anstatt selbst aggressiv zu werden. Auf der anderen Seite ist dieser Punkt von Bedeutung, um sich selbst zu schützen. Wenn Provokation oder verbale Aggression nicht an einem abprallen, ist das eigene Wohlbefindet gefährdet. Geben Sie aggressiven Klienten*innen im Falle drohender Eskalation Narrenfreiheit, zumindest so lange keine Handgreiflichkeiten im Spiel sind. Lassen Sie sich nicht von Beleidigungen oder sexuellen Anspielungen provozieren. Interpretieren Sie diese nicht als persönlichen Angriff und lassen Sie sich auf keinen Fall zu Drohungen, Ermahnungen oder „Retourkutschen“ provozieren. Deuten Sie die verbalen „Angriffe“ als das, was sie sind - Ausdruck innerer Not und Hilflosigkeit, Ärger, Wut, und/oder Angst.
 

Provokationen, Vorwürfe, Ermahnungen oder Drohungen vermeiden

Vorwürfe bezüglich des aggressiven Verhaltens oder die Aufforderung, sich zu beruhigen, sind für eine deeskalierende Intervention nicht geeignet. Auch Drohungen oder provokante Äußerungen verschlimmern die Situation nur, anstatt sie zu entschärfen. Signalisieren Sie stattdessen Interesse an den Gefühlen des/der Klienten*in und bieten Sie Ihre Hilfe an. Wenn Sie den aktuellen Zustand spiegeln, achten Sie auf eine wertfreie Sprache. So ist es zum Beispiel hilfreicher zu sagen „Sie sind extrem aufgebracht“ als „Sie sind aggressiv“.
 

Bleiben Sie wertschätzend

Eine wertschätzende Haltung einzunehmen ist ein bedeutsamer Part in den 12 Grundregeln der Deeskalation. Bedenken Sie, dass aggressive Verhaltensweisen immer ein Zeichen von großer innerer Not sind. Dabei ist der Patient oder die Patientin mehr denn je auf Ihre Unterstützung angewiesen. Eine wertschätzende Haltung hilft nicht nur Ihnen, eine eskalierende Situation besser zu bewältigen. Auch für die betroffene Person ist es entlastend, wenn sie sich in Ihrem Zustand angenommen fühlt. Eskalierenden Klienten*innen die Erregung und daraus resultierenden Gefühle oder die momentanen Verhaltensweisen vorzuwerfen, ist nicht zielführend. Ermahnungen, sich endlich zu beruhigen oder die Androhung von Konsequenzen, verschlimmern die Situation und machen Sie als Deeskalationspartner*in unglaubwürdig. Vermeiden Sie andauernde Appelle. Signalisieren Sie stattdessen Ihr Interesse an und Ihre Sorge um den Betreuten oder die Betreute. Begegnen Sie angespannten Menschen mit Respekt, Aufrichtigkeit und Mitgefühl, da diese ihre gesamte Unterstützung und Deeskalationskompetenz benötigen.
 

Bedürfnisse und Gefühle identifizieren
– was steckt hinter dem Verhalten?

Finden Sie heraus, was der Grund für das aggressive Verhalten Ihres/Ihrer Klienten*in ist, zum Beispiel durch ihre eigene Wahrnehmung oder vorsichtige Fragen. Stimmen Sie die weitere Vorgehensweise auf die Bedürfnisse des/der Klienten*in ab. Vermitteln Sie das Gefühl, dass Sie bereit sind, sich für die betroffene Person einzusetzen. Vermeiden Sie es jedoch, Ihre Klienten*innen mit Fragen oder Angeboten zu überfordern. Lassen Sie dem/der Betroffenen Bedenkzeit und stellen Sie erst weitere Fragen, wenn Sie eine Antwort erhalten haben.

 

Grundregeln beachten, erfolgreich intervenieren

Die 12 Grundregeln der Deeskalation zu beherzigen ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Intervention. Auf alle Punkte gleichzeitig zu achten kann in angespannten Situationen jedoch eine Herausforderung sein. Daher ist es ratsam, die Regeln im Alltag (außerhalb von eskalierenden Situationen) einzustudieren. ProDeMa ist Ihr Ansprechpartner für professionelles Deeskalationstraining!

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